Familienforschung in Ostpreußen und im Sudetenland
Wider das Vergessen - Erinnerung bewahren!

Ich bin in Leverkusen im Rheinland geboren und aufgewachsen. In Burscheid im Bergischen Land wohnhaft und heimisch. Aber ich bin auch das Kind meiner Eltern - die wurden aus Ostpreußen und aus dem Sudetenland vertrieben. Aus dem erweiterten familiengeschichtlichen Blickwinkel betrachtet bin ich also nicht gerade ein waschechter Rheinländer …

Geburtsurkunde Bernd Steinke

Bereits früh bildete die Herkunft meiner Eltern den Anreiz, mehr über die Geschichte meiner Familie erfahren zu wollen. Und seit einiger Zeit beschäftige ich mich nun intensiver - so weit es die Freizeit eben hergibt - mit der Geschichte meiner Familie.

Mein Anliegen in dieser Rubrik ist es, ...

Es geht mir darum, Erinnerung zu bewahren. Aber es geht mir auch um die Art und Weise der Erinnerung: Nicht "vom hohen Ross", ohne jede Überheblichkeit, fern von jedem revanchistischen Gedankengut.

Denn in meinem Falle ist bei der Erforschung der Vergangenheit der Familie eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der von Deutschen besiedelten Gebiete im Osten Europas unumgänglich. Sehr bald tauchen bei dieser Auseinandersetzung kaum beantwortbare Fragen auf: Deutsch oder Polnisch? Ermland, Masuren? Oder Warmińsko-Mazurskie? Vergleichbare Fragestellungen gibt es natürlich auch für das Sudetenland.

Für mich ist es stets ein "weder noch". Das Land gehört niemandem. Vor den Deutschen, den Tschechen und den Polen waren andere dort. Wir sind - historisch betrachtet - alle überall zu Gast. Und das stets nur vorübergehend. Nach "Nationalität" möchte ich nicht unterscheiden und bewerten. Ich möchte - wenn überhaupt - zwischen gut und böse unterscheiden. Und: Gute und böse Menschen gibt es überall.

Unrecht ist weniger Resultat kollektiven Handelns als eben Resultat ureigenen und persönlichen Handelns und Erlebens. Unrecht wurde von Menschen begangen und viele Unschuldige haben gelitten. Die Kategorie Nationalität ist - für mich persönlich - dabei nebensächlich: Menschen wurden zu Opfern und Tätern. Aber es ist noch komplizierter: Was ist wenn ein Täter zum Opfer wird? Das Opfer zum Täter? Mein Mitgefühl und meine Solidarität gelten all den Opfern, die bei aller Wut und Trauer, bei allem Zorn und vielleicht auch Hass, nicht den Unterschied zwischen Recht und Unrecht vergaßen - und selbst nicht zu Tätern wurden. Und von diesen gibt und gab es viele. Ihnen möchte ich mit tiefem Respekt und mit Demut begegnen.

Wir, die nachfolgenden Generationen, können heute unbeschwerter als noch unsere Eltern daran wirken, dass das erlittene Unrecht – vielleicht – etwas weniger schmerzt. Es soll und darf nichts vergessen werden. Aber es soll und darf uns auch nichts daran hindern, eine gemeinsame und friedliche Zukunft anzustreben. Der Weg dorthin ist der Weg des Dialogs.

Mir liegt viel daran, dass die Jahrhunderte andauernde Siedlungs- und Kulturgeschichte der Deutschen in Ostpreußen und im Sudetenland, nicht in Vergessenheit gerät. Das ist nicht nur "Geschichte" im herkömmlichen Sinne. Das ist – wie ich mittlerweile spüre – Teil meiner ganz persönlichen Geschichte.